Plato -- Elenktik bzw. Mäeutik

Plato als Gegner der Sophisten hat gezeigt, dass nicht der Mensch mit seiner Wahrnehmung der Maßstab aller Dinge ist. Seine Idee besteht darin, von der allgemeinen Erfahrung ausgehend nach dem Wesentlichen zu suchen. Man kann nur am Wesen von X entscheiden, ob eine Aussage bezüglich X wahr ist. Mit anderen Worten: Wer nur billige und mangelhafte MP3-Player erlebt, darf nicht über Mängel aller (auch der teuren) MP3-Player klagen. Seine Erfahrung und die in anderen Geräten besser realisierte Idee eines MP3-Players haben nur wenig gemeinsam. Deshalb ist es nur dann sinnvoll, die MP3-Player als „die fehleranfälligste Erfindung des Jahrhunderts'' zu bezeichnen (ohne als Lügner beschimpft zu werden), wenn auch das Wesen bzw. die Idee, die dahinter steht, Fehler aufweist.

Ein anderes Beispiel wird es besser verdeutlichen:

Ein Behinderter ist ein Mensch. Er kann nicht gehen. Also können alle Menschen nicht gehen?

Natürlich ist das falsch! Deshalb hält Plato nur die Ideen (das Wesen der Dinge) für Wahrheit und Wissen. Die Realität ist hingegen bloße Meinung. Dieses Vorgehen nennen wir die Abstraktion, weil wir vom einzelnen absehen und auf das Gemeinsame aller dieser Dinge achten. Die Verführung ist natürlich da, alles zu idealisieren: „Der Mensch ist ein gutes Wesen'' - stimmt nur bedingt. Man kann alles verherrlichen und an solchen Idealen arbeiten - dies führt aber meistens zu zweifelhaften Doktrinen, die eher einer Werbung als Realität gleichen. Ebenso verhält es sich mit dem Gegenstück: Man kann auch das Negative ins Unendliche steigern („Die Menschen sind böse''). Was Plato gemeint hat, ist: Anhand von der erlebten Realität das Wesen erkennen.

Ein anderer Vorteil dieser Denkweise ist die Unabhängigkeit von anderen Urteilen über den Menschen, die Liebe oder die Freundschaft, welche allzuoft unkritisch aus der Offenbarung übernommen werden. Ein Nachteil stellt aber oft die angesprochene Kluft zwischen der Idee und der Realität.

Betrachten wir die die folgenden Sätze:

• Was ist Liebe?
• Der Mensch ist ein verdorbenes Wesen. (Homo homini lupus)
• Der Mensch ist ein gutes Wesen. (Homo homini angelus)
• In der Ehe gibt es keine Vergewaltigung.
  (Ehe schließt grundsätzlich den sexuellen Kontakt der Ehepartner ein. $\Leftrightarrow$Mangel der Zustimmung als Wesenszug der Vergewaltigung.)
• Ein Tisch, der an der Decke befestigt ist und nicht auf dem Boden steht ist kein Tisch.
• Menschen mit DNA-Schäden sind keine Menschen. (DNA-Mensch-Ideal)